Propädeutik, Handling, physiologische Daten

Dr. Estella Böhmer

Seit einigen Jahren erfreuen sich Hasenartige und kleine Nager als Haustiere einer zunehmenden Beliebtheit. Sie werden vorwiegend als Spielkameraden für Kinder gehalten und infolge ihres recht hohen ideellen Wertes immer häufiger in der Praxis zur Untersuchung und Behandlung vorgestellt. Ein Großteil der Tiere leidet an einer angeborenen oder erworbenen Zahn- bzw. Kieferanomalie. Neben der korrekten Behandlung spielt bei den Zahnerkrankungen der Hasenartigen und Nager auch die Prophylaxe - z.B. in Form einer Futterumstellung auf Hartnahrung sowie einer regelmäßigen Kontrolle - eine entscheidende Rolle.

Der Untersuchung des Patienten setzt sich zusammen aus dem Erfassen der Anamnese, sowie der allgemeinen und speziellen Untersuchung. Zum Erheben der Anamnese verwendet man am günstigsten ein Anamneseformular (siehe Diagnosebericht). Auch die Ergebnisse der allgemeinen und speziellen Untersuchung können in einer Art Fragebogen festgehalten werden (siehe Diagnosebericht).

Eine fachgerechte Handhabung und sachgemäße klinische Untersuchung der sehr streßanfälligen kleinen Heimtiere ist äußerst wichtig, um eine unnötige Aufregung der Patienten sowie mögliche Verletzungen des Tieres selbst oder des untersuchenden Tierarztes bzw. Assistenten zu vermeiden. Auch wird dadurch das Vertrauen des Tierbesitzers in den behandelnden Arzt gestärkt. Allgemein gilt, daß man mit den Tieren sehr langsam und ruhig umgehen soll. Massive Zwangsmaßnahmen sind zu vermeiden.

Kaninchen neigen trotz langer Domestikation und Heimtierhaltung zur Schreckhaftigkeit. Eine gute Fixation der Tiere ist daher wichtig, da ansonsten infolge heftiger, explosionsartiger Abwehrbewegungen bzw. einem plötzlichen Nachvorneschnellen mit Ausschlagen der Hinterextremitäten leicht Frakturen oder Luxationen der Lendenwirbelsäule entstehen. Zum Herausheben aus dem Käfig verwendet man den "Nackengriff", wobei die Beckengliedmaßen unterstützt werden. Zur Untersuchung der Mundhöhle wird das Kaninchen auf den Tisch gesetzt, mit dem Rücken zur fixierenden Person. Diese preßt mit den Unterarmen vorsichtig, jedoch bestimmt den Tierkörper auf die Unterlage. Die Daumen sind hinter den Ohren und die Finger heben den Kopf unterhalb des Unterkiefers.

Meerschweinchen lassen sich manchmal schwierig fangen. Sie neigen ebenfalls zur Schreckhaftigkeit und sind somit wie die Kaninchen schockgefährdet. Zum Hochheben des Tieres wird mit einer Hand der Halsansatz bzw. die Schulter erfaßt, während die andere Hand die Hintergliedmaßen unterstützt. Zur Untersuchung der Mundhöhle kann der Patient auf dem Tisch sitzen oder aufrecht mit dem Rücken gegen die Brust der fixierenden Person gehalten werden. Mit dem Zeigefinger unter dem Kinn, den restlichen Fingem am Brustkorb und dem Daumen im Nacken, kann der Kopf leicht nach oben durchgestreckt und fixiert werden.

Hamster sind im allgemeinen friedliche Tiere. Man muß jedoch berücksichtigen, daß sie nachtaktive Tiere sind und schläfrig sehr unleidig sein können. Am besten fixiert man sie mit dem "Nackengriff". Nach der Nackenfixation wird die Hand gedreht und das Tier liegt mit dem Rücken in der Handfläche zum Untersucher gewandt. Schneidezähne und Backentaschen können so problemlos untersucht werden. Sehr ängstliche Tiere werden mit zwei Händen unter Bildung einer Höhle aus dem Käfig genommen.

Auch Gerbil, Maus und Degu werden mit Zeigefinger und Daumen im Nacken fixiert. Zum Herausheben aus dem Käfig können die Tiere auch erst an der Schwanzwurzel gefaßt und auf den Untersuchungstisch gesetzt werden. Ängstliche Tiere werden, unter Imitation einer Höhle, mit beiden Händen umschlossen und vorsichtig hochgehoben. Streß muß bei dieser Tierart unbedingt vermieden werden, da sie bei plötzlich auftretenden Geräuschen oder Erschütterungen zu kataleptischen bzw. epileptiformen Zuständen neigen. Diese können 15-30 Sekunden dauern. Sie vergehen in der Regel reaktionslos und bedürfen keiner Therapie.

Ratten sind meist friedfertig und beißen nicht. Bei handzahmen Tieren kann zum Herausheben aus dem Käfig mit der Hand über ihnen eine Höhle gebildet werden. Danach umgreift man fest die Schulter und hebt das Tier hoch. Bei schweren Tieren werden hierbei die Beckengliedmaßen mit der anderen Hand unterstützt. Aggressive Ratten werden an der Schwanzwurzel gefaßt und hochgehoben. Anschließend wird der Kopf am besten mit Daumen und Zeigefinger knapp hinter den Mandibeln fixiert. Der Daumen sollte möglichst weit unter dem Unterkiefer und der Zeigefinger dorsal um den Hals des Tieres liegen, damit durch Druck des Daumens gegen den Unterkiefer ein Beißen verhindert werden kann. Kräftigere, schwere Tiere mit mehr als 500gr Körpergewicht dürfen nicht am Schwanz hochgehoben werden. Zur Untersuchung der Zähne kann auch der "Nackengriff' eingesetzt werden.

Chinchillas sind sehr friedliche Tiere, bei denen Zwangsmaßnahmen nicht angewendet werden müssen. Besonders unruhige Exemplare läßt man am besten von der Bezugsperson festhalten oder wickelt sie einfach in ein Handtuch. Die Tiere werden erst mit ruhiger Stimme angesprochen und dann mit beiden Händen gezielt und bestimmt, jedoch unter Vermeidung schneller Bewegungen aus dem Käfig herausgenommen. Während eine Hand mit Daumen und Zeigefinger den Schwanzansatz fixiert, greift die andere unter den Brust-Bauchbereich. Beim Chinchilla kann es bei unfachmäßiger Fixation oder in Streßsituationen zum "fur slip" kommen. Es dauert ungefähr 5 Monate, bis die ausgefallenen Haare durch neue ersetzt sind. Der Schwanzansatz muß bei weiteren Manipulationen stets fixiert bleiben, um auf ein plötzliches Fortspringen des Tieres reagieren zu können. Zur Untersuchung der Mundhöhle werden ein oder beide Ohren mit der freien Hand fixiert.

Streifenhörnchen sollten stets mit Handschuhen gefaßt werden. Auch ganz handzahme Tiere können in fremder Umgebung und bei ungewohnten Manipulationen plötzlich zubeißen . Am einfachsten fixiert man sie mit Hilfe eines Handtuchs, wobei der Kopf mit Daumen und Zeigefinger hinter den Mandibeln fixiert wird.